Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (043-04041)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Ruprechtsau

11. 11. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Publikationsanfrage Grundriss der romanischen Philologie D´Ovidio, Francesco Graf, Theodor Tobler, Ludwig Förster, Wendelin Suchier, Hermann Michaëlis de Vasconcelos, Carolina Cornu, Julius Jarnik, Johann Urban Coelho, Francisco Adolfo Mussafia, Adolf Lemcke, Ludwig Köhler, Reinhold Ebert, Adolf Meyer-Lübke, Wilhelm (1888)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (043-04041). Ruprechtsau, 11. 11. 1883. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5859, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5859.


|1|

Ruprechtsau – Straßburg i/E. 11.11.83.

Lieber Herr College.

Lassen Sie mich nun nochmals Ihnen mit der Bitte um Uebernahme wenigstens des Artikels ,Creolisch‘ für den Grundriß der Rom. Phil. nahen. Die größte Zahl der Artikel des Planes hat ihre Bearbeiter gefunden (Italien vertreten zB. in D’Ovidio u. Graf; Deutschland zB. in Tobler, Foerster, Suchier, Frau Mich. de Vasconcellos; Oesterreich in Cornu, Jarník etc. etc. etc.);1 Frankreich lehnte ab, – Coelho bleibt stumm); Mussafia, Lemcke, Köhler, Ebert,2 die ich anging, wären, wie ich aus dem Ton ihrer Briefe entnehmen kann, entschieden bereit das Buch zu unterstützen, fühlten sie sich nicht durch Gesundheitsrücksichten oder durch ältere Verpflichtungen genöthigt, zu verzichten. Um so eifriger sind sie, mich zu ermuntern, die Sache durchzuführen. Das Creolische nun ist das Wenigste, worum ich Sie bitten kann; und, da der Termin der Einsendung der Mss. bis Ende des Jahres 1884 verschoben ist, schmeichele ich mich mit der Hoffnung, daß in dieser langen Frist Ihnen ein Stündchen kommen wird, wo Sie, wenn nicht die Verpflichtung fühlen, die andern etwas Zuverläßiges über jenen Gegenstand wissen zu lassen, in der Ueberzeugung momentan nichts Bessres thun zu können zur Feder für den „Grundriß“ greifen. Aber ich möchte gern noch einiges mehr von Ihnen. Der Abschn. I 4 A, Methodik der sprachgesch. Forschung etc., den ich werde übernehmen müssen, wenn Sie es nicht thun, verdiente gerade wegen des „Junggrammatismus“, obwohl wir noch nicht besonders daran leiden, und weil Sie schon im „Vocalismus“ hier Bausteine zusammengefügt, Ihre besondere Berücksichtigung.3 Und wer sollte über II 1 B ‚Latein in den rom. Ländern‘ – aeußre Geschichte – Vulgärlatein – etc. – mit größerer Autorität unterrichten als Sie?4 Daß II 1 A u. II 1 B zusammengehören, darüber bin ich ganz Ihrer Meinung; die Trennung ist nur erfolgt im Hinblick auf die Möglichkeit, daß nicht ein Bearbeiter für beide Theile gefunden würde. Dann würde II 1 A (Keltisch – Iberisch – Italische Sprachen) wesentlich descriptiv gehalten und wären die sprachgeschichtlichen Probleme, die sich aus dem Contakt jener Sprachen mit dem Latein ergeben, nur aufzustellen unter Hinweis auf die vorhandenen Lösungsversuche. Auch die Möglichkeit einer Cooperation bei diesen beiden Artikeln sollte offen gehalten werden. Wie würde ich Ihnen danken, wenn Sie sich zur Ausführung derselben entschlössen?

Durch die Rubrik II 2 B (Stilistik) war beabsichtigt einen Ueberblick zu geben über die den romanischen Litteraturen (bes. des MA.) gemeinsamen Stilformen, um Wiederholungen in den einzelnen Abrissen |2| der romanischen Litteraturgeschichte zu vermeiden: einen Bearbeiter dieses Abschnittes habe ich noch nicht, und werde ich schwerlich finden. Er wird daher nur zu Stande kommen können, wenn die Verfasser der litteraturgeschichtlichen Abschnitte gestatten würden, die in ihren Darstellungen begegnenden Bemerkungen zur romanischen Stilistik von gemeinsamem Character zusammenzufassen und auf diese Zusammenfassung in den von ihnen behandelnden [sic] Abschnitten hinzuweisen. Geschähe es nicht, so würde der Abschnitt fallen, und das wäre kein Unglück.

Hier haben Sie also von Neuem meine Wünsche, zu denen ich die Bitte um eine recht baldige Benachrichtigung füge, damit wir endlich ans Werk gehen können. Der längere Termin für Ausführung der Artikel, den anzusetzen sich als nothwendig erwies, gibt Raum auch für andere Arbeiten, die Sie im Laufe des nächsten Jahres sich vorgenommen haben, und läßt mich hoffen, daß Sie mich nicht ganz im Stiche lassen werden. Oder wenn es geschähe, was sollte ich dann der Kritik sagen, die sich des Buches bemächtigen und den Beruf des Bearbeiters der einzelnen Abschnitte zu ihrer Ausführung prüfen wird? Wenn sie dabei findet, dieser und jener Artikel ist nicht in die richtigen Hände gelegt worden, Sch[uchardt] fehlt hier und fehlt dort, – soll ich dann sagen: Ganz recht Ihr Herren, aber Sch. wollte nun einmal nicht? Sie sehen, ich gehe daran, wenig in der Ueberredungskunst geübt, die stärksten Trümpfe gegen Sie auszuspielen, ohne es erst mit schwächrer Karte zu versuchen. Lassen Sie mich ein Aß gewinnen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr ergebenster

GGröber.

|3|
Grundriss der Romanischen Philologie.
Titel der einzelnen Theile und AbschnitteUmfang nach Bogen
I. Formaler Theil.
Geschichte, System, Quellen u. Methodik der Romanischen Philologie.
1. Abschnitt. Geschichte der Romanischen Philologie, mit Anhang: Geschichte der Lat. Philologie des M.-A.2
2. Abschnitt. System und Aufgaben der Romanischen Philologie.1
3. Abschnitt. Quellen der Romanischen Philologie.1
A. Inschriften, Urkunden, Handschriften, Bücher, Bücherwesen, Paläographie (schriftl. Quellen)1
B. Ungeschriebene (Volks-) Litteratur, Mundarten (orale Quellen).1
4. Abschnitt. Methodik der sprach- und litt.-gesch. Forschung.
A. Methodik der sprachgesch. Forschung (gramm., lex. u. hist. etc.)2
B. Hermeneutik und Kritik der schriftl. und oralen Quellen.2
II. Realer Theil.
1. Abschnitt. Romanische Sprachwissenschaft.
A. Die Sprachen der Autochthonen der Rom. Länder.1 ½
B. Die Latein. Sprache in den Rom. Ländern. 1 ½
C. Die Germanischen etc. Sprachen in den Rom. Ländern.1
D. Die Romanischen Sprachen: ihre Gliederung und äussere Geschichte; Charakteristik der Rom. Hauptsprachen und Dialekte.2
1) Die Italien. Sprache u. ihre Dialekte.4
2) Die Ladinische Sprache.1
3) Die Rumänische Sprache1
4) „ Franz. Sprache u. ihre Dialekte4
5) „ Provenz. „ „ „ „2
6) „ Catalan. „ „ „ „1
7) „ Spanische „ „ „ „2 ½
8) „ Portug. „ „ „ „2
Anhang: Creolisch.1
2. Abschnitt. Romanische Metrik u. Stilistik.
A. Metrik der Romanischen Sprachen (einschl. Mittellatein).3
B. Stilistik der Romanischen Sprachen.2
3. Abschnitt. Litteraturgeschichte der Romanischen Völker.
A. Die Latein. Litteratur des M.-A. (und der Neuzeit) nach Inhalt, Formen stilistischer Seite etc.3
B. Die Litteraturen der Romanischen Völker, einschl. Volkslitteratur.
1) Die Italienische Litteratur.10
2) „ Ladinische „1
|4|
3) „ Rumänische „ 1
4) „ Französische „ 12
5) „ Provenzalische „2
6) „ Catalanische „1
7) „ Spanische „6
8) „ Portugiesische „3
III. Theil.
Hilfswissenschaften.
A. Geschichte der Romanische Länder.1
B. Culturgeschichte der Romanischen Länder.
1) Mittelalter.1
2) Neuzeit.1
C. Kunstgeschichte der Romanischen Völker.1
Musik.1
Bildenden Künste.2
D. Die Wissenschaften bei den Romanischen Völkern.2

1 Von den Genannten sind nur Francesco D’Ovidio, Hermann Suchier und Jules Cornu im I. Band vertreten.

2 Francisco Adolfo Coelho, Adolf Mussafia, Ludwig Lemcke, Reinhold Köhler, Adolf Ebert.

3 Der dann von Gröber verfasste Beirag „Methodik und Aufgaben der sprachwissenschaftlichen Forschung“ hat in der Ausg. 1888 die Gliederungszeichen II 2 A, 209f.

4 Wilhelm Meyer-Lübke verfasste Abschnitt III I A 4 „Die lateinische Sprache in den romanischen Ländern“, 351f.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04041)