Adolf Ebert an Hugo Schuchardt (13-02689)

von Adolf Ebert

an Hugo Schuchardt

Leipzig

11. 03. 1875

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Publikationsversand Metrik Lateinischsprachige Literatur Italienischsprachige Literatur Rezension Literarisches Centralblatt für Deutschland Ritornell Terzine Witte, Karl Alighieri, Dante Zarncke, Friedrich

Zitiervorschlag: Adolf Ebert an Hugo Schuchardt (13-02689). Leipzig, 11. 03. 1875. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4983, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4983.


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Lieber Herr College!

Obgleich ich Ihre schöne Abhandlung1 noch nicht ganz zu Ende studirt habe, darf ich doch nicht länger zögern, Ihnen meinen besten Dank für Ihre Zusendung zu sagen. Die Arbeit gefällt mir ungemein; es ist eine äußerst gründliche an vielen interessanten Resultaten reiche Untersuchung, die mir nur bestätigt hat, was ich früher gegen Sie aussprach, daß Sie für solche metrische Arbeiten einen besonderen Beruf mir zu haben scheinen. Möchten Sie dieses Feld nur weiter anbauen, u. einmal eine Metrik der romanischen Dichtung schreiben. Was ich aus meinen fortgesetzten mittelalterlich-lateinischen Studien an Hülfsmaterial Ihnen dafür liefern könnte, würde ich mit größtem Vergnügen beitragen. Der guten Constitution Wittes2 ist es sehr zu danken, Sie zu dieser Arbeit veranlaßt zu haben, weniger |2| dagegen nach meiner Ansicht die Beziehung des Ritornells zur Terzine und die besondere Hervorhebung dieser Beziehung im Titel selbst. Rispett u. Ritornell hätte er wohl ohne das geheißen. Jene Beziehung erscheint mir immer noch eine sehr entfernte. Dante wählte 3zeilige Strophen im Hinblick auf die Dreieinigkeit u. die latein. Hymnenpoesie; für die einzelen 3z. Str. ergibt sich die Reimstellung aba als die beste nicht bloß, sondern als die eigentlich rechte, da nur durch sie – von der Einreimigkeit abgesehen – die Strophe vollkommen begrenzt ist (der erste Vers nicht in der Luft schwebt). Im Interesse des letztern Punktes war auch bei der Verbindung mehrerer Strophen für den folgenden Vers bcb von selbst geboten. Daß Dante an die Form des einzelnen Ritornells (aba) gedacht hat, als er seine Strophen schrieb, glaub‘ ich wohl, u. ich will also jetzt insofern eine Beziehung des Rit. nicht leugnen; aber daß D. die Strophe im Hinblick auf das Rit. gewählt habe, glaube ich nicht, noch viel weniger daß er Verkettungen von Ritornellen vor sich hatte+ (+ Sie selbst widersprechen dem S. 133. „Die Schwierigkeit u. Künstlichkeit“ allein schon ließ eine solche in der Volkspoesie nicht aufkommen), oder an sie dachte. Das Verhältniß des Rispetts zur Ottave u. die Verbindung der letztern zu einem längern Gedichte ist doch etwas ganz anderes, wie das Verhältniß der lyrischen Poesie zur epischen ein anderes ist, als das der lyr. zur didactischen. |3| Doch darüber mehr mündlich. Es wird mich sehr freuen, Sie bald einmal wieder zu sehen; ich wollte nur Sie könnten mich vorher benachrichtigen, obgleich ich ja viel zu Hause bin.

Ich will Ihre Abhandlung sehr gern im Centralbl. anzeigen3; ich hoffe in diesen Tagen Zarncke zu sehn, u. es ihm sagen zu können. Ihm persönlich werden Sie ja wohl auch ein Expl zusenden, da er speciell für solche Studien sich interessirt.

Nehmen Sie mit diesem flüchtigen Gekritzel für heute fürlieb. Nochmals besten Dank für die mir so lehrreiche Arbeit.

Ganz der Ihrige.
A. Ebert.


1 Vgl. Lfd.Nr. 10-02686.

2 Zu dem Juristen und Danteforscher Karl Witte (1800-1880) vgl. HSA, Lfd.Nr. 01-12867 – 04-12870.

3 Vgl. Lfd.Nr. 14-02690.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02689)