Louis Gauchat an Hugo Schuchardt (04-03596)

von Louis Gauchat

an Hugo Schuchardt

Zürich

27. 02. 1907

language Deutsch

Schlagwörter: Neujahrsgrüße Krankheit Etymologie Neue Zürcher Zeitung Atlas linguistique de la France Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen Bridel, Philippe

Zitiervorschlag: Louis Gauchat an Hugo Schuchardt (04-03596). Zürich, 27. 02. 1907. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4729, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4729.


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Glossaire des patois
de la Suisse romande
Zürich V 27 II 07
Hofackerstr. 7

Sehr geehrter Herr Kollege,

Meinen Vortrag über die Wortzonen1 habe ich wirklich in Basel gehalten und hier in der Gesellschaft für deutsche Sprache wiederholt. In der N.Z.Z. erschien ein ausführliches Referat, das ich Ihnen sowie Herrn Dr. Pessler2 zuschicke. Hoffentlich sind Sie vom Inhalt meines Vortrags nicht enttäuscht, ich versuchte nur eine Synthese des Atlas ling. de la France vom Standpunkte der Wortzone aus. In extenso soll der Vortrag im Archiv f. d. n. Spr. erscheinen. Aber ich möchte ihn zuvor umarbeiten.

Dé bada ist der einzige absonderliche Ausdruck der westschweiz. Mundarten für vergeblich.3 Eine Form mit t kommt nicht vor. Doch ist schon das d in unserm Gebiet aussergewöhnlich. Das Wort existiert in allen Kantonen, von Neuenburg bis Wallis (nicht, wie es scheint, im Berner Jura). |2| Wir haben auch à bada = délaissé, sans surveillance, z.B. nɘ fo ja lāsi a bada la mayzõ = ouverte à tout venant. Die Verben abadã und das gleichbedeutende débarda werden meist negativ verwendet. n’abądà pā = der Stein, die Last löst sich nicht von ihrer Unterlage. Es entsteht keine spaltförmige Öffnung (Zusammenhang mit badigliare). Das Simplex ist nur noch indirekt in badair = müssig erhalten, cfr. pré badier in Guisard, Coutumier, = pré ouvert, Ortsnamen wie lez Badousaz (Alpes vaudoises). Schon Bridels4 Angaben deuten auf einen trümmerhaften Zustand. Von dem was andere hs. Wörterbücher sagen, ist etwa interessant: s’abada se lever sur son séant, d’un malade. Wallis abades Subst. = parcours, prés communs. Was schliesslich alles auf eine Öffnung herauskommt.

Mit meinen besten Wünschen fürs Neue Jahr, und dem besonderen, dass sich Ihr lästiges Augenübel bald heben möchte,

>Ihr ergebenster
L. Gauchat


1 „ Über die Bedeutung der Wortzonen “, 49. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Basel, 24.bis 27. September 1907, Leipzig 1908, 124-125.

2 Wilhelm Peßler (1880-1962), deutscher Volkskundler und „Ethno-Geograph“.

3 Vgl. GPSR II, 1934-54 , 185.

4 Philipp-Sirice Bridel (1757-1845), Schweizer Pfarrer, Volkskundler und Literat; Großonkel Schuchardts, Verf. des Glossaire du patois de la Suisse romande (1866).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03596)