Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (04-07495)

von Heinrich Morf

an Hugo Schuchardt

Zürich

11. 08. 1897

language Deutsch

Schlagwörter: Universitätsangelegenheiten Universität Zürich Germanische Philologie Berufungen Bittschreiben Bitte um wissenschaftliche Meinung Bächtold, Jakob Seuffert, Bernhard Leipzig Bayrische Akademie der Wissenschaften. Historische Kommission (Hrsg.) (1953) [o. A.] ([o. J.])

Zitiervorschlag: Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (04-07495). Zürich, 11. 08. 1897. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4231, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4231.


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Prof. Dr. Heinrich Morf29 Pestalozzistrasse 29Zürich V, den 11.VIII.97.

Verehrter Herr Kollege,

Gestern haben wir Jakob Bächtold1 bestattet – und heute berathen wir über die Wiederbesetzung der Lehrstelle für deutsche Sprache & Literatur, die er uns verwaist hinterlassen hat. Le roi est mort, vive le roi!

Ich erinnere mich aus der Zeit, da J. Bächtold den Ruf nach Leipzig erhalten hatte, dass er, wenn wir so von einem Nachfolger sprachen, oft den Namen Ihres Kollegen B. Seuffert nannte. Wenn ich nicht sehr irre, sind damals zwischen B. und S. auch Briefe gewechselt worden.

Darf ich Sie nun ganz im Vertrauen darüber befragen, ob, nach Ihrer Meinung Herr B. Seuffert2 überhaupt eine Berufung nach Zürich annähme & ob er als Lehrer unser Mann sein könnte. Bächtold war ein trefflicher Lehrer & seine literarhistorischen Vorlesungen waren von 60-80 Zuhörern besucht.

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Von hoher Bedeutung für uns ist auch der Mensch. Wir sind hier friedliebende stille Leute, haben in der Fakultät die angenehmsten kollegialen Verhältnisse & möchten sie gerne aufrecht erhalten.

Sie würden uns ausserordentlich verpflichten, wenn Sie uns über B. S. als Lehrer & Menschen Ihren Eindruck mittheilen wollten.

Inwieweit ich, bei der Mittheilung an meine Kollegen, dabei Ihren Namen nennen darf, das steht zu bestimmen ganz bei Ihnen.

Entschuldigen Sie, verehrtester Herr Kollege, dass ich Ihnen mit einer solchen Frage beschwerlich falle: ich thue es ungern & deshalb auch unbeholfen genug. Dergleichen ist weder für den Befragten noch für den Frager angenehm – aber leider in unserer Lage nicht zu umgehen. Um so dankbarer wäre ich Ihnen für eine – ganz kurze – Auskunft.

Mit den besten Wünschen für die Ferien – die Sie vielleicht in die Schweiz führen? – und mit den herzlichsten Wünschen

Ihr ganz ergebener
H. Morf.


1 Jakob Bächtold / Baechtold (1848-1897), seit 1888 germanistischer Ordinarius in Zürich, war am 7. August verstorben, vgl. Fritz Hunziker, NDB 1, 1953, 514.

2 Bernhard Joseph Luther Seuffert (1853-1938), seit 1886 unbesoldeter ao. Prof. für Germanistik in Graz, 1892 o. Prof., wo er trotz verlockender Angebote bis zu seiner Emeritierung 1924 blieb, vgl. ÖBL 1850-1950, 12, 198f. Seuffert hat den Ruf tatsächlich erhalten, jedoch abgelehnt. So schreibt er am 5.10.1897 an August Sauer in Prag : „Begreifen Sie, dass Walzel nach Bern berufen wurde? ich kann das nur für eine freundschaftstat Singers halten. Mir fiel gar nicht ein, ihn für Zürich zu empfehlen, obwol ich an ihn dachte. Ich wurde nemlich um rat angegangen, nachdem ich die frage, ob ich den ruf annähme, verneint hatte (nach schwerer überlegung, mehr aus rücksicht auf die künftige unsicherheit für meine familie als aus eigener unlust)“ (Briefwechsel Sauer-Seuffert, ÖNB online).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07495)