Hugo Schuchardt an Elise Richter (02-266_27-19)

von Hugo Schuchardt

an Elise Richter

Graz

22. 07. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Biographisches Romanisierung Persönliche Treffen Reisen Networkinglanguage Sardischlanguage Altfranzösischlanguage Katalanischlanguage Vulgärlateinlanguage Englischlanguage Französischlanguage Latein Wulff, Frederik Amadeus Sardinien Italien Meyer-Lübke, Wilhelm (1911–1920) Richter, Elise (1904)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Elise Richter (02-266_27-19). Graz, 22. 07. 1904. Hrsg. von Bernhard Hurch (2009). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.340, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.340.


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Mein verehrtes Fräulein!

Von Sardinien, aus, wo Meyer-Lübke1 dem armen entthronten ab ein kleines Krongut sicherte, haben Sie zu Gunsten desselben einen kühnen Eroberungszug durch ganz Italien unternommen, der mich mit Bewunderung erfüllt hat, den ich aber – soeben erst von längerer Reise zurück gekehrt 2 – noch nicht in seinen einzelnen Etappen habe verfolgen können 3. Die Grenze zwischen ad und ab wird sich wohl noch nicht "für ewige Zeiten" aufrichten lassen.

Mit verbindlichstem Dank für die freundliche Zusendung

Ihr ergebener

HSchuchardt

Ich hoffe dass es Mussafia besser geht als im Winter;4 da Sie ihn wohl öfter sehen, so bitte ich Sie ihn von mir zu grüssen. Ich habe seinen Auftrag an Nyrop 5 der ein reizender Mensch ist, ausgerichtet6; obs hilft, weiss ich nicht (der 1. Bd. war sein Eigentum, der 2. ist das des Verlegers; er arbeitet jetzt an der 2. Ausg. des 1. Bdes). Von Romanisten sah ich sonst im Norden Vising,7 Geijer (Lidfors),8 Rydberg.9Wulff betrauerte wohl schon in Vaucluse den Tod Laceras.


1 Wilhelm Meyer-Lübke (1861-1936) in der Schweiz gebürtiger romanischer Philologe, Professor in Jena, Wien (begründet mit Mussafia den Ruf der Wiener Schule der Romanistik), dann in Bonn. Später Junggrammatiker, nach indogermanistischem Vorbild verfaßt er eine vierbändige 'Grammatik der romanischen Sprachen' (1890-1902) und ein 'Romanisches Etymologisches Wörterbuch' (1911), Arbeiten zum Altfranzösischen und zur Stellung des Katalanischen. Einer der akademischen Lehrer Richters (und Spitzers). Stand mit Schuchardt in einem nicht sehr innigen Verhältnis. Trotzdem finden sich im Nachlaß Schuchardt 71 Schreiben von Meyer-Lübke (Nrn. 7223-7293).

2 In diesem Jahr verbrachte Schuchardt 4 Monate in Skandinavien.

3 Richter (1904): Dabei handelt es sich um ihre Habilitationsschrift, in der sie Belege für das Fortbestehen der lateinischen Präposition v.a. in italienischen Dialekten und in der Westromania ortet.

4 Mussafia hatte, wie er HS im Brief Nr. 7687 berichtet, im Dezember 1903 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr wirklich erholen sollte und der seine physische Teilnahme am akademischen Leben stark beeinträchtigt hat.

5 Kristoffer Nyrop (1858-1931) dänischer Romanist, veröffentlicht grammatische und philologische Arbeiten zu allen romanischen Sprachen, Autor einer 6-bändigen historischen Grammatik des Französischen (1899-1925), von dieser ist hier die Rede; verfaßt desweiteren eine spanische Grammatik, Wortstudien, über Onomatopoeia, etc. Schuchardt war mit der ganzen Familie befreundet, ausführlicher Briefwechsel mit Nyrop (7954-8082) auch über/mit Nyrops Frau Margarethe (8084-8369), gemeinsam also über 400 Schriftstücke. Die wenigen Briefe Nyrops an Richter tragen die Signatur NB 265/70.

6 Aus den vorhandenen Briefen an Mussafia und Nyrop geht leider nichts hervor. HS war im Juli in Kopenhagen, kann diesen Auftrag also auch mündlich erledigt haben.

7 Johan Vising (1855-1942) schwedischer Romanist und Linguist, philologisch-literarische Arbeiten und Edition (anglo‑)normannischer Texte, Schriften zum Vulgärlatein, Stilstudien, französische Verbalmorphologie. Briefe an HS unter den Nrn. 12481-12489.

8 Per Adolf Geijer (1841-1919) schwedischer Romanist, Professor in Uppsala, Studien zur französischen Phonologie, zum Tempussystem, über Relativpronomina; verschiedene philologische Editionsarbeiten. Briefe an HS Nrn.: 3626-3627.

9 Gustaf Leonard Rydberg (1861-1938) schwedischer Romanist, Lektor für Englisch und Französisch, dann Professor in Uppsala, Studien zur Entwicklung des lat. facere; zum Schwa im Französischen. Autor einer mehrbändigen französischen Sprachgeschichte. Briefe an HSNrn. 9877-9878 .

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