Jacob Sket an Hugo Schuchardt (1-10696)

von Jacob Sket

an Hugo Schuchardt

Klagenfurt

07. 11. 1877

language Deutsch

Schlagwörter: Biographisches Dialekte Diezstiftung Lautphysiologie Slawische Philologielanguage Slowenischlanguage Altgriechischlanguage Südslawische Sprachenlanguage Sanskrit Trstenjak, Davorin Leskien, August Graz Storost, Jürgen (1989) Storost, Jürgen (1990) Storost, Jürgen (1992)

Zitiervorschlag: Jacob Sket an Hugo Schuchardt (1-10696). Klagenfurt, 07. 11. 1877. Hrsg. von Karin Almasy (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3315, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3315.


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Mein hochverehrtester Lehrer!

Vor allem meinen herzlichsten Dank für Ihren mir theueren Brief. Auch für Ihren Glückwunsch zu und in meiner neuen Stellung meinen Dank, jedoch lieber wäre es mir, wenn es nicht so sein müsste. Ich bin allein und verlassen von jedem persönlichen wissenschaftlichen Verkehr, und lebe also nur dem Studium als solchem. Da ich wusste, dass ich mich auch auf ein Gymnasium einmal begeben muss, und dazu das notwendige Probejahr haben muss, wenn ich auch gesonnen bin meinen einmal gefassten Plan soweit als möglich auszuführen, – auf dies hin, nahm ich den Antrag des Schulinsp. Herrn Holzinger an, und ging auf ein Jahr weg von Graz. Nur bedingungsweise nahm ich dies an; ich habe nämlich nur 12 Stunden, 8 slov. u. 4 griech. Zeit also bleibt mir für meine Prüfungsstudien, und ich nutze sie auch aus. Nach vollendeter Prüfung und vollendetem Probejahr werde ich beim Ministerium mein Glück versuchen und um ein Reisestipendium einkommen. Wenn dies nicht gewährt wird, dann überlasse ich mich dem Privatstudium und dem |2| Schicksale eines Gymnasiallehrers in einer Provincialstadt.

Ich hege geringe Hoffnung, allein das schreckt mich nicht; ich glaube, dass es vielleicht bewirkt werden könnte.

Wenn es mir gelingt im Februar die Prüfung zu machen, so wende ich mich im Frühjahr und Sommer dem dialectischen Studium hier in Kärnten zu und sammle für meine künftigen Arbeiten. Es wäre erfreulich, wenn Sie Ihre genannten Forschungen hier einmal beginnen wollten. Es wäre vielleicht noch manches zu finden. Dem Herrn Pfarrer Trstenjak1 in Ponigl an der Südbahn in Untersteiermark habe ich Ihren Dank hinterbracht. Die anderen Hefte sind in Graz zu bekommen aus der Bibliothek oder man kann dieselben im „Letopis der Matica“ 2 nachsehen, der leicht aus Laibach zu bekommen ist. Eigene Hefte hat Herr T.[rstenjak] nicht mehr. Er und ich wollten Sie im Bade „Neuhaus“ besuchen. jedoch das Wetter verhinderte uns daran. –

Vom früheren Stipendium bekam ich nur 25fl. monatlich bis März. Dem Gesuche konnte und wollte man nicht Folge leisten. Der Grund war also dies, dass ich den Antrag annahm, um für ein Jahr versorgt zu |3| sein, da ich auf mich allein angewiesen bin. Denn im zweiten Semester war ich blosgestellt. Nachdem Probejahr kann bei meinem Studienfach „Slovenisch“ mir eine Stelle doch unterkommen als definitive Anstellung, wenn es nicht das Ministerium vorzieht, mir statt einer Anstellung ein Reisestipendium zu gewähren.

Von meiner slav. Arbeit3 ist am 6/11 der letzte Strich gemacht, ins Reine Dreissig angeschriebene Bogen liegen vor mir. Es macht mir die Arbeit als fertig daliegend eine grosse Freude. und bin begierig auf die Rezension, da ich viele bestehende Ansichten durch eigene ersetzte, weniges ein erfreuliches Bild der histor. Entwicklung mir vorzeichnen konnte. –

Der Grund, dass ich so lange nicht schrieb, ist der dass ich mich umsehen wollte ob für die Diezstiftung4 etwas zu machen wäre. Jedoch die Sache ist schwierig. Man scheint sich sehr wenig, für derartige Dinge zu interessieren, und die sich interessieren, können nicht viel beitragen. In höheren Kreisen bin ich aber nicht weiters hier bekannt. Möglich, dass Sie bei Ihrer Anwesenheit etwas ausrichten. – Ich wünsche zu Ihrem Unternehmen großen Erfolg, und den besten Einklang. |4|

Begierig bin auf Ihre physiolog. Abhandlung und Kritik, die Sie im vergang. Jahre anfingen. Wie urtheilen Sie über Kräuter’s Lautverschiebung5? Dieses und manches anderes wäre ich zu wissen begierig. Deshalb ersuche ich Euer Hochwohlgeboren, mir in ihren Mussestunden einige Zeilen zu widmen, die mich in meinen Studien auffrischen könnten und mir Trost einflössen. Ich würde Sie auch ersuchen, sich zu äussern, ob Sie meinen künftigen Plan billigen, oder ob Sie einen besseren wüssten, und überhaupt was Sie dazu zu bemerken hätten. Mir fehlt oft ein guter Rath, der mich leiten würde auf die künftige Bahn.

Nachdem ich hier Ihnen gegenüber mich so frei geäußert, und mir gute Rathschläge von Ihnen wenn möglich erbeten habe, so schliesse ich in Erwartung auf eine gelegentliche Antwort meine Zeilen hochachtungsvoll

Ihr dankbarster und ergebenster

Jacob Sket

Klagenfurt, am 7. November 1877.

A. B. Leskien’s Handbuch6 bin ich so frei an den Portier zu schicken. Ich habe es bei den Arbeiten hie u. da eingesehen. –


1 Der Untersteirer Davorin Trstenjak (1817–1890), ein weiterer Korrespondenzpartner Hugo Schuchardts (Bibl. Nr. 11862-11867 im Nachlass), zählte zur frühen nationalbewussten – mehrheitlich noch geistlichen – slowenischen Elite, die sich für die Verbreitung eines slowenischen Nationalbewusstseins einsetzte. Bereits nach seiner Ausbildung an den Lyzeen in Graz und Zagreb setzte sich der Absolvent des Grazer Priesterseminars Trstenjak als junger Kaplan in diversen untersteirischen Gemeinden und ab 1850 als Lehrer für Religion, Slowenisch, Pädagogik, Geographie und Geschichte am Gymnasium, der Hauptschule und im Präparandenunterricht in Maribor/Marburg für die Etablierung des Unterrichtsfaches Slowenisch ein. Ihm wurde großes didaktisches Talent beschieden. Ab 1869 wirkte er in der Gemeinde St. Martin bei Ponikel/Ponikva. Bekannt ist er vor allem durch sein umfangreiches publizistisches und literarisches Schaffen, von dem auch einiges in zeitgenössischen Blättern in deutscher Übersetzung erschien. In seinen populärwissenschaftlichen Schriften widmete er sich gerne der frühen Slawengeschichte, Mythen und Gebräuchen der alten Slawen und in seinem sprachlichen Studium den südslawischen Dialekten und dem Sanskrit. Vgl. Wurzbach (1856-1891) , Slodnjak (2013) und zu seiner Zeit in Marburg/Maribor Almasy (2014) .

2 Das seit 1867 einmal jährlich erschienene Jahrbuch des slowenischen Kulturvereins Slovenska Matica. Vgl. Matica Slovenska (1867) .

3 Dabei muss es sich um seine Dissertation Die Deklination der consonantischen Substantivstämme im Alt- und Neuslovenischen handeln, die er im Juni 1878 in Graz einreichte und von seinen Professoren, dem Slawisten Gregor Krek und dem Germanisten Anton Schönbach, approbiert wurde. Vgl. Smolej (2014) .

4 Vgl. zur Diezstiftung Storost (1989), Storost (1990), Storost (1992).

5 Kräuter (1877)

6 Vermutlich Leskien (1871) .

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10696)