August Leskien an Hugo Schuchardt (05-06423)

von August Leskien

an Hugo Schuchardt

Leipzig

18. 02. 1896

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Leipzig Sprachen im Kaukasus Bittschreiben Verleih von Publikationen Universitätsbibliothek Graz Schuchardt-Bibliothek Archiv für slavische Philologielanguage Ungarischlanguage Finnischlanguage Albanisch Lopatinskij, Leo von Böhtlingk, Otto von Uslar, Petr Karlovich Soerensen, Asmus Reinhold, Karl Heinrich Theodor Eichler, Ernst/Schröter, Gerhart (1986) Uslar, Pëtr Karlovič (1887–1896) Uslar, Pëtr Karlovič (1881) Weiss, Brigitta (1986) Sörensen, Amus (1892) Sörensen, Amus (1893) Sörensen, Amus (1894) Sörensen, Amus (1895) Sörensen, Amus (1897) Sörensen, Amus (1898) Sörensen, Amus (1895) Reinhold, Karl Heinrich Theodor (1855) Mitkos, Euthymios (1878) De Rada, Giuseppe (1870) Schuchardt, Hugo (1874)

Zitiervorschlag: August Leskien an Hugo Schuchardt (05-06423). Leipzig, 18. 02. 1896. Hrsg. von Johannes Mücke (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3069, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3069.


|1|

Leipzig, 18. Februar 96

Lieber Freund.

Aus den Leipziger Promotionsbedingungen, von denen ich Ihnen ein Exemplar unter Kreuzband sende, werden Sie (Abschnitt 18) ersehen, daß bei uns noch in absentia promoviert werden kann. Vielleicht muß ich aber sagen "konnte", denn vor einiger Zeit hat die Fakultät eine Commission eingesetzt um über Abänderungen jener Bedingungen zu berathen. Dabei wird namentlich |2| § 18 in Betracht kommen. Bisher ist noch kein Referat der Kommission erfolgt, ich weiß daher nicht, wie die Sache steht. Bei dem Herrn Lopatinsky1 würde übrigens die Schwierigkeit eintreten, daß hier niemand seine Caucasica würde beurtheilen können. Vielleicht warten Sie noch etwas mit dem Bescheid an ihn. Da jedenfalls in diesem Semester noch, also in einigen Wochen, über unsere Promotionsbedingungen Beschluß gefaßt wird, theile ich Ihnen dann die beschlossene Fassung mit.

Mit Böhtlingk2 werde ich wegen Uslars Abchas. Studien3 reden, sobald ich ihn sehe.

Für das Magyarische haben |3| wir seit Anfang dieses Semesters einen Dozenten, Dr. Sörensen,4 der sich vorigen Sommer für osteuropäische Geschichte, Literaturen und Sprachen habilitiert hat. Er versteht gut magyarisch, spricht es aber, so viel ich weiß nicht; er liest es in diesem Semester und hat mehrere Zuhörer dafür. Es ist derselbe, der im Archiv für slav. Phil. die Abhandlungen über das serbische Epos veröffentlicht hat.5

Vor einigen Jahren dachte ich einmal daran, das Magyarische (das ich s. Z. als Hauslehrer in einer ungar. Familie auch praktisch gelernt, allerdings stark vergessen hatte)6 in den Kreis meiner Vorlesungen zu ziehen und anderes Finnisches daran zu schließen. Aber ich hatte zu viel andres um die Ohren und ließ den Gedanken fallen. Da ich doch |4| nun einmal Allotria treiben muß, habe ich diesen Winter stark Albanesisch getrieben und alles gelesen, was ich erlangen konnte. Ärgerlicher Weise sind hier der Bibliothek Reinholds Noctes pelasgicae7 verloren gegangen, und ich möchte Sie bei der Gelegenheit fragen, besitzen Sie etwa das Werk, und haben Sie die hier ganz fehlenden Bücher: Mitkos, 'Αλβανική μήλισσα8 so wie die albanesischen Werke von Gerol. da Rada?9 Und wenn Sie die Dinge haben, können Sie sie mir auf nicht zu kurze Zeit nach und nach leihen, zuerst Mitkos?

Mit herzlichem Gruß

Ihr

Leskien


1 Vgl. Eichler & Schröter (1986: 87, FN): "Lopatinski, Leo Ritter von (geb. in Tiflis), promovierte am 22.6.1896 in absentia an der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig mit dem Dissertationsthema 'Sprache und Volk der Adygen oder Tscherkessen'. Gutachter waren A. Leskien und H. Schuchardt". Im Nachlass Schuchardts haben sich 14 Schreiben von Leo von Lopatinskij (1842-1922) an Schuchardt erhalten, aus denen ersichtlich wird, dass Lopatinskij sich bei Schuchardt nach der Möglichkeit einer Promotion in absentia an der Universität Leipzig erkundigt hatte. Die Briefe von Lopatinskij an Schuchardt befinden sich derzeit in Bearbeitung.

2 Vgl. Eichler & Schröter (1986: 87, FN): "Böhtlingk, Otto (1815-1904), Sanskritist und Indologe; wirkte bis 1868 in Petersburg, von 1868 bis 1885 in Jena und anschließend in Leipzig". Von Otto Böhtlingk liegen fünf Briefe an Schuchardt in dessen Nachlass vor, die alle aus dem Jahr 1896 stammen.

3 Vgl. Eichler & Schröter (1986: 87, FN): "Uslar, Petr Karlovich (1816-1875). In Petersburg erschien 1863 ein 'ausführlicher Bericht über des Generals Baron Peter von Uslar abchasische Studien' sowie 1887 in Tiflis'Ethnographie des Kaukasus; Sprachwissenschaft. 1. Die abchasische Sprache' (russ.)". Noch immer an der UB Graz verfügbar sind fünf hektographierte Bände der 'Ethnographie des Kaukasus' [Ėtnografija Kavkaza] in erster Auflage (Uslar 1862- [um 1872]) sowie die gedruckten sechs Bände der zweiten Auflage (Uslar 21887-1896), außerdem noch Uslar (1881); alle sind mit dem Schuchardt’schen Ex-Libris versehen. Die letzteren beiden Werke sind im Katalog der Schuchardtbibliothek (Weiss 31986: 163) aufgeführt.

4 Vgl. Eichler & Schröter (1986: 87, FN): "Soerensen, Asmus (1854-1912), vielseitiger Hochschullehrer, Slawist und Historiker; wirkte an der Technischen Staatslehranstalt Chemnitz (heute: Karl-Marx-Stadt), hielt ab 1896 auch Vorlesungen und Seminare an der Universität Leipzig. Seine Abhandlung 'Beitrag zur Geschichte der Entwicklung der serbischen Heldendichtung' erschien in Fortsetzungen im AfslPh in den Bänden 14 bis 20 (1892-1898)". Im Nachlass Schuchardts ist ein Brief Soerensens an Schuchardt aus dem Jahr 1896 vorhanden (Bibl. Nr. 10718).

5 Vgl. Soerensen (1892, 1893, 1894, 1895a, 1897, 1898). Unter dem Titel Entstehung der kurzzeiligen serbo-kroatischen Liederdichtung im Küstenland erschien ein weiterer Teil der Studien als Habilitationsschrift (Soerensen 1895b).

6 Vgl. Eichler & Schröter (1986: 88, FN): "Leskien wohnte während seines Studiums in Leipzig (1862-1864) und seiner Lehrertätigkeit an der Leipziger Thomasschule (1864-1866) bei einer Familie Bräuer, die in Ungarn Verwandte hatte, wohin anläßlich von Ferienreisen auch Leskien mitgenommen wurde".

7 Vgl. Reinhold (1855). Das Werk ist im Katalog der Schuchardtbibliothek (Weiss 31986) nicht verzeichnet.

8 Vgl. Mitkos (1878). Das Werk ist ebenfalls im Katalog der Schuchardtbibliothek (Weiss 31986) nicht verzeichnet.

9 Vgl. De Rada (1870). Auch dieses Werk ist im Katalog der Schuchardtbibliothek (Weiss 31986) nicht verzeichnet, aber Schuchardt schrieb eine lange Rezension darüber (vgl. Schuchardt 1874 [= HSA 045]).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 06423)