Hermann Suchier an Hugo Schuchardt (44-11420)

von Hermann Suchier

an Hugo Schuchardt

Halle

22. 09. 1897

language Deutsch

Schlagwörter: Voretzsch, Carl Graz Schuchardt, Hugo (1895)

Zitiervorschlag: Hermann Suchier an Hugo Schuchardt (44-11420). Halle, 22. 09. 1897. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3024, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3024.


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Halle S., 22. 9. 97

Lieber Herr Kollege,

Ihre Schrift: Sind unsere Personennamen übersetzbar?1 habe ich bereits in Händen. Natürlich dachte ich nicht daran, sie zu erhalten, ehe Sie nach Graz zurückkehrten! Ich danke Ihnen umso mehr!

So sehr ich im Prinzip mit Ihnen gehe – ich will nun auch in meiner Literaturgeschichte vom Übersetzen der Vornamen mehr als bisher absehen! –, glaube ich doch dass es ein Übersetzen der Namen seit lange gegeben hat. |2| Im ae. Wîdsîð werden historische und geographische Namen aus andern germ. Mundarten (oder Sprachen) transponiert, und in den Eddaliedern von den Nibelungen wird ebenso übertragen. Dass diese Namen von identischer Form aus sich zu verschiedenen Lautformen umgestaltet haben, ist ja möglich. Allein der historische Theoderich wurde, schon als er regierte, von verschiedenen germ. Stämmen verschieden genannt. Die Angelsachsen transponierten au in eá, ai in â auch nachdem der Lautwandel abgeschlossen war.

Karl - Charles, Ludwig - Louis gelten seit der Karolingerzeit als aequivalent. Wir nennen Charles le sage Karl den Weisen, und Louis XIV Ludwig den Vierzehnten. Mit Wilhelm - Guillaume, Heinrich - Henri ist es ähnlich. Wolfram übersetzt jenes mit Willehaben (einmal hat er das h Guillôms beibehalten), Aimeri wie Heinrîch.

|3| Ja ich weiss aus Urkunden dass noch im XVII. Jahrhundert ein Piper, Snider, der auf Hochdeutsches Gebiet zog, zu einem Pfeifer, Scheider wurde.

Natürlich will ich dem Zwang nicht das Wort reden. Wild wachsen lassen ist mein Grundsatz, zumal auch in sprachlichen Dingen.

Morgen will mich Voretzsch mit seiner Frau besuchen. Kommen Sie nicht nächste Woche nach Dresden zum Philologentag?

Mit herzlichem Gruss

ergbst

Ihr
H. Suchier.


1 Schuchardt (1895).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11420)