Johannes Schmidt an Hugo Schuchardt (11-10104)

von Johannes Schmidt

an Hugo Schuchardt

Berlin

26. 02. 1877

language Deutsch

Schlagwörter: Biographisches Universität Graz Universitätsangelegenheiten Universität Bonn Berufungen Universität Heidelberg Kirchensprachelanguage Kymrischlanguage Russischlanguage Griechisch Stremayr, Karl von Graz Wien Schmidt, Johannes (1871–1875)

Zitiervorschlag: Johannes Schmidt an Hugo Schuchardt (11-10104). Berlin, 26. 02. 1877. Hrsg. von Bernhard Hurch und Johannes Mücke (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2792, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2792.


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Berlin S. W. Königgrätzerstr. 38


d. 26. 2. 77.

Vererter Herr College!

Es freut mich sehr aus Irem werten briefe vom 23. zu erfaren, daß Sie Sich in Graz wol fülen.

Für den schritt, welchen Sie zu tun beabsichtigen, möchte ich Inen die äußerste vorsicht an empfehlen, denn im falle seines misslingens wird Ire stellung von grund aus erschüttert. Wenn man Inen gesagt hat, kein prof. habe mer als 2800 fl. gehalt, so wird das buchstäblich ganz richtig sein. Wenn nämlich einer mer hat, so bezieht er den merbetrag nicht als gehalt sondern als personalzulage od. remuneration.

Meine verhältnisse lagen folgendermaßen. Ich war noch privatdoc., als ich oct. 1872 der Grazer facultät zu sagte für 1800 + 480 fl. das ordinariat zu übernemen. Erst 3/4 jare später im juli 1873 kam die ernennung von Wien. Mittlerweile war ich in Bonn besoldeter extraord. geworden, man bot mir sogar 1400 fl. im falle meines bleibens. Dennoch hielt ich mich durch meine erste zusicherung für gebunden und nam die Grazer professur an, one ein wort weiter zu verhandeln. In Graz ergab sich bald die absolute unzulänglichkeit des gehaltes, und so gieng ich, nachdem ich 1 sem. in Graz war, nach Wien, setzte dem minister aus einander, daß ich so nicht leben könnte, und machte in namentlich darauf aufmerksam, dass ich mir kein höheres gehalt ausbedungen hatte, obwol die verhältnisse im juli 73 vil günstiger für mich lagen als oct. 72. Ich erklärte Stremayr aus|2|drücklich, daß ich nicht als supplicant gekommen wäre, sondern lediglich seiner Initiative überließe, ob er auf grund der sachlage etwas für mich tun wollte oder nicht. Darauf erhielt ich in der liebenswürdigsten weise eine zulage von 400 fl. Ein jar darauf erhielt ich den ruf nach Heidelberg und auf grund des selben eine zulage von 1000 fl.

Hieraus werden Sie ersehen, ob Ire gegenwärtige lage der meinigen analog ist oder nicht. Auf jeden fall erlaube ich mir Inen nochmals die äußerste vorsicht zu empfehlen. Sie wißen wol selbst, daß Ire erste ablehnung in Wien große verstimmung erregt hat, und werden daher gewiss alles vermeiden, was Ire stellung gefärden könnte.

Ob kymr. telyn mit ternja1 zusammen hängt, muß sich aus dem kymr. entscheiden laßen, da die abweichungen lediglich auf dessen rechnung zu setzen wären.

Mit bestem gruße in großer eile

Ir

ergebenster

Johannes Schmidt.


1 Walisischtelyn bedeutet 'Harfe'; für ternja siehe Schmidt ( 1875: 55), der es dort als russisch-kirchenslawisches Wort mit griech.λύρα, 'Lyra' übersetzt. Den Anlass für diese Anfrage Schuchardts bildet eine Postkarte des walisischen Keltologen John Rhys (1840-1915) vom 13.02.1877 (Bibl. Nr. 09508) an Schuchardt. Rhys bezieht sich darin auf die Stelle in Schmidt (1875: 55) und bittet Schuchardt, sich bei Schmidt zu erkundigen, um welche Art von Instrument es sich bei ternja handle, da er einen Zusammenhang zum walisischen telyn sieht. Insgesamt befinden sich 23 Briefe von John Rhys im Nachlass Schuchardts (Bibl. Nr. 09496- 09518, aus den Jahren 1871-1897), der Briefwechsel befindet sich derzeit in Bearbeitung.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10104)