Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (08-05072)

von Johann Urban Jarnik

an Hugo Schuchardt

Wien

08. 06. 1878

language Deutsch

Schlagwörter: Romanische Philologie Universität Prag Universität Grazlanguage Spanischlanguage Portugiesisch Cornu, Julius Coelho, Francisco Adolfo Mussafia, Adolf Coelho, Francisco Adolpho (1879)

Zitiervorschlag: Johann Urban Jarnik an Hugo Schuchardt (08-05072). Wien, 08. 06. 1878. Hrsg. von Luca Melchior (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2544, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2544.


|1|

Wien am 8. Juni 1878.

Hochgeehrter Herr Professor!

Ich beeile mich Ihr geschätztes Schreiben zu beantworten. Gegenwärtig sind Sie wol schon im Besitz meines letzten Briefes, der sich mit dem Ihrigen wieder kreuzte. Betreffs des frei gewordenen Exemplars bitte ich Sie dasselbe nach Leoben senden zu wollen unter folgender Adresse: H. Anton Turkuš1, Professor am Realgymnasium daselbst. Herr Professor brauchen nicht Ihren Namen als den des Absenders zu bezeichnen, sondern einen andern beliebigen, vielleicht den des Candidaten, für welchen dasselbe bestimmt war. Ich werde in diesem Sinne diesen Herrn avisieren. Er hat zu Ostern die Prüfung in Prag unter Cornu2 abgelegt und ein Exemplar habe ich ihm geliefert; nun wünschte er aber ein anderes noch für seinen Collegen und das musste ich ihm vorläufig abschlagen. Für dieses wäre also gesorgt; anders ist es mit einem andern ebenso vollständigen Exemplar wie das Ihrige ist, und das mir ein Herr, der sich's früher bestellt hat, auch |2| nicht abgenommen hat. Ich bin zwar überzeugt, dass es mir über kurz oder lang gelingen würde auch dieses anzubringen, aber es liegt mir doch daran, dass es jetzt schon geschehe, da ich Geld brauche. Ich würde Sie daher ersuchen, im Falle Sie Herrn Prof. Cornu nach Prag schreiben sollten, Ein Wort davon zu erwähnen, dass Sie sich ein Exemplar genommen haben und dass er wahrscheinlich eins auch noch haben könnte.

Die Mittheilung betreffs Coelho3 hat mich sehr interessirt; ich gedenke nach den Ferien, nachdem ich im Spanischen recht fest sein werde, auch das Portug. mir anzueignen mit Hilfe desselben Herrn, mit dem ich jetzt Spanisch arbeite, da er auch dieser Sprache vollkommen mächtig sein soll. Zum Anfang würden eben diese Märchen Coelho's4 recht geeignet sein.

Schliesslich bemerke ich, dass ich mich in meinem Exposé des Planes, eine Sammlung rumänischer Volksmärchen und Volkslieder anzuregen, nicht deutlich ausgedrückt habe: nicht die Sammlung gedenke ich autographiren zu lassen, sondern nur die Aufforderung dazu und den Plan.

|3|

Ihre Grüße an Herrn Prof. Mussafia werde ich erst nächsten Mitwoch [sic] übermitteln können, da ich heute Abend auf drei Tage nach Mähren reisen werde.

Hochachtunsvoll
Dr Joh.Urb.Jarnik

P.S. Ich sehe dass ich vergessen habe zu bemerken, dass ich die Formenlehre noch nicht beschliessen kann, weil dieselbe erst jetzt vorgetragen wird; dieselbe würden [Sie] erst im Laufe des Monats Juli bekommen können.


1 Anton Turkuš (1849-1912), Dichter, Dramatiker, Romanist.

2 Jules Cornu (1849-1919), Schweizer Romanist, war 1877-1901 als Nachfolger Wendelin Foersters Professor für Romanische Philologie an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag (auf den Lehrstuhl hatte Jarník selbst spekuliert, berufen zu werden, vgl. den Brief an Ioan Micu Moldovan vom 15.10.1876, abgedruckt in Jarník, Zavoral, Jarník & Hušková-Flajšhansová 2005 : 39f.); 1901 wurde er als Nachfolger Hugo Schuchardts zum Professor an der Grazer Universität berufen, wo er bis 1911 tätig war.

3 Francisco Adolfo Coelho (1847-1919) portugiesischer Romanist und Kreolist. Die Briefe Coelhos an Schuchardt wurden von Sousa (2013) zur Edition gebracht.

4 Die Contos populares portuguezes von Coelho wurden zwar erst im folgenden Jahr veröffentlicht (Coelho 1879), Schuchardt wusste jedoch von Carolina Michaelis de Vasconcellos, dass sie sich in Druck befanden. Diese Information hatte er offensichtlich gleich an Jarník weitergeleitet (vgl. Brief Nr. 07314 vom 29.5.1878).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05072)